Prof. Dr. Walter Hundt, Fichtenwalde
Erschienen in: WeltTrends H. 14, S. 175-
Reinold E. Thiel (Hrsg.), Entwicklungspolitiken -
Lesern der von der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung in mehreren Sprachen herausgegebenen Zeitschrift „E + Z / Entwicklung und Zusammenarbeit“ (Frankfurt/Main) sind sowohl der Herausgeber als deren Chefredakteur und brillanter Leitartikler als auch die seit vier Jahren bis vor kurzem erschienene Artikelserie über die Entwicklungszusammenarbeit
der einzelnen „Geberstaaten“ recht gut bekannt. Schon die seinerzeitige Veröffentlichung der Artikelserie war sowohl dem Spezialisten, den in der Öffentlichkeitsarbeit tätigen Lehrern, Referenten und Studenten, aber auch dem interessierten Laien ausgesprochen hilfreich.
Sie liegt uns nunmehr aktualisiert auf dem Stand 1995/96 und erweitert in Buchform vor. Das Buch bietet eine der wenigen Möglichkeiten für den allseits interessierenden Vergleich der Entwicklungszusammenarbeit zahlreicher Länder nach Volumen, Form, Vorgehensweise sowie deren Schwerpunkte und motivierende Interessenlagen. 30 deutsche und ausländische Autoren -
Entwicklungshilfeausschusses der OECD, ehemaligen „Ostblock-
1 In einem Grundsatzartikel über die Neuorientierung der Entwicklungspolitik in den neunziger Jahren beschreibt R. E. Thiel mit großer Sachkenntnis und hohem Informationsgehalt die internationale und die globalpolitische sowie entwicklungs-
Ausführungen geht der Autor von der bekannten Feststellung des Premierministers von Mauritius aus, daß mit dem Ende des Kalten Krieges der „geopolitische Schleier“ über der Entwicklungszusammenarbeit weggefallen sei und für die künftige
Zusammenarbeit nicht mehr politisches Wohlverhalten, sondern ausschließlich wirtschaftliche Effizienz maßgeblich sei.
Im Kapitel über den Umfang der Entwicklungshilfe und deren Kürzungen in letzter Zeit verweist der Autor noch einmal auf die Unverzichtbarkeit des Begriffs „Entwicklungsländer“ als übergreifende Kategorie, der aber für analytische Zwecke ohne Differenzierung nicht mehr ausreichend ist (S. 16). Er geht von derzeit jährlich ca. 60 Mrd. $ (1994) als ODA (offizielle -
Legt man die Relationen zwischen ODA und dem Bruttosozialprodukt zugrunde, dann ist festzustellen, daß wir es seit geraumer Zeit nicht mit einem Anstieg, sondern mit einem jährlichen Abfall auf derzeit etwa 0,30 % des BSP zu tun haben (1961 0,61 %; UNO-
Zu beachten ist dabei allerdings die gefährliche Rückflußproblematik -
dienen vorrangig Dokumente der OECD, besonders die Jahresreports des DAC (Entwicklungshilfeausschuß der OECD).
Auf Nicht-
sind heute statistisch wegen ihrer Geringfügigkeit nicht mehr erfaßbar.
Im folgenden spricht Thiel vom Scheitern der bisherigen Strategien. Die deutlich weniger werdenden Mittel und ein verändertes Umfeld erfordern seiner Auffassung nach neue Strategien. Überhaupt müsse die Rolle der Entwicklungspolitik neu bestimmt werden. Dabei unterstreicht er das geringe weltpolitische und weltwirtschaftliche Gewicht des Politikfeldes Entwicklungspolitik, das kaum meßbare Auswirkungen auf internationale Prozesse habe. Er verweist darauf, daß die sogenannte Entwicklungshilfe heute lediglich ein Zehntel der Höhe der Militärausgaben ausmacht. „Entwicklung“ habe in den Entwicklungsländern zumeist nicht stattgefunden. In Afrika sei sogar ein Abfall des Bruttosozialprodukts zwischen 1970 und 1990 um zehn Prozent zu verzeichnen. Korrelationen zwischen der Höhe von Entwicklungshilfeleistungen und „Entwicklung“ seien in keinem Falle feststellbar (S. 21).
Ausführlich wird auf das ostasiatische Modell einer „gelenkten Marktwirtschaft“ als Alternative eingegangen. Thiel verweist auf den rasanten wirtschaftlichen Aufschwung und die Zunahme des Bruttosozialprodukts in den Ländern der ersten und zweiten Generation der „Tigerökonomien“. China und Vietnam mit hohen Wachstumsraten, aber einem noch sehr niedrigen Pro-
Der Kern der neuen Strategien des Westens besteht nach Auffassung des Autors in einer auf die Reform der internen Rahmen-
angenommen wurde. Ganz offensichtlich ist heute, daß die westlichen Staaten in der Zeit des Kalten Krieges bewußt
Interessant die Darlegungen über die Leistungen einzelner Staaten. So sind besonders die hohen nominellen Steigerungs-
großen Geberländern den dritten Platz ein. Für die BRD, derzeit auf dem vierten Platz, ist ein allgemeiner Ratenabfall festzustellen. Das höchste Niveau hatten 1994 Norwegen (1,05 %), Dänemark (1,03 %) und Schweden (0,96 %).
Tendenzen „übersehen“ haben wie Überbürokratisierung, Korruption und Nepotismus, Überrüstung, fehlende Rechtssicherheit, Unterdrückung der Menschenrechte und der Privatinitiative.
Dem Autor ist zuzustimmen, wenn er davon spricht, daß die sogenannten Strukturanpassungsprogramme der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds sich als ein generell untaugliches Instrument erwiesen haben. Sie führten lediglich zu Teilergeb-
Ausdruck des Bemühens um eine neue Strategie sind für Thiel
Damit besteht seit Anfang der neunziger Jahre sowohl bei internationalen Organisationen als auch bei den einzelnen Staaten ein relativ breiter internationaler Konsens über die Prinzipien künftiger Entwicklungspolitik, der sich in zahlreichen internationalen Dokumenten niedergeschlagen hat.
Bei der Behandlung der „neuen Kriterien“ der deutschen Entwicklungszusammenarbeit verweist der Autor auf zwei interessante Tendenzen. Gemeint ist die außerordentliche Zurückhaltung gegenüber dem anfangs euphorisch betonten Problem der zu hohen Militär-
Die Frage „Wie geht es weiter?“ beantwortet der Autor ausgehend von der These, daß die neue Strategie der strukturellen Reformen in jeder Hinsicht schwieriger als die alte Strategie der Projekte sein dürfte. Er verweist darauf, daß Voraussetzungen für ein Umdenken in den Nehmerländern vielfach fehlen. Den Einsatz qualifizierter Eliten setzt er bewußt gegen die Tendenzen des Nepotismus. Er unterstreicht aber besonders auch die Notwendigkeit des Umdenkens bei den Gebern, die sich weg von jeglicher Rivalität hin zur effektiven Koordinierung bewegen müssen. Daraus ergibt sich auch eine neue qualitative Anforderung an die Durchführungsorganisationen und deren Personal, das künftig mehr mit sozialen Prozessen und institutionellen Reformen konfrontiert sein wird. Angesichts der bekannten Diskrepanzen und der überdeutlichen Defizite in den Ländern des Nordens unterstreicht Thiel das Erfordernis der Nachhaltigkeit aller entwicklungspolitischen Schritte.
Nicht ohne Grund verweist er am Ende seines Artikels erneut auf die Gefahren der globalen Marktöffnung und auf die Notwendig-