Prof. Dr. Walter Hundt, Fichtenwalde


Erschienen in: WeltTrends H. 11, S. 192-194


Ulrich van der Heyden, Ilona und Hans-Georg Schleicher (Hrsg.), Engagiert für Afrika. Die DDR und Afrika II, Lit-Verlag, Münster, Hamburg 1994, 296 S., ISBN 3-8258-2080-7


Der Lit-Verlag legt mit dieser Ausgabe den Band 6 seiner „Afrikanischen Studien“ vor. Die Herausgeber sind dem fachkundigen Leser bereits durch den ersten Band (1993) von „Die DDR und Afrika“ bekannt.*

Das Vorwort zu diesem Band schrieb Rolf Hofmeier, Direktor des Hamburger Instituts für Afrikakunde im Verbund der Stiftung Deutsches Übersee-Institut. Seiner Auffassung ist zuzustimmen, wenn er davon ausgeht, daß hiermit weitere Bausteine für eine spätere Gesamtanalyse der DDR-Afrikapolitik vorgelegt werden und eine umfassende Gesamtdarstellung und abschließende Bewertung der DDR-Beziehungen zu afrikanischen Staaten und Organisationen kommenden Jahren vorbehalten ist. Die für die inhaltliche Gliederung zugrunde


* Siehe Rezension von Wolfgang Schwanitz zu: Ulrich van der Heyden, Ilona und Hans-

Georg Schleicher (Hrsg.), Die DDR und Afrika. Zwischen Klassenkampf und neuem

Denken, Lit-Verlag, Münster, Hamburg 1993, 278 S., ISBN 3-894-73473-8, in: Welt-

Trends. Internationale Politik und vergleichende Studien (Berlin), H. 3 (Juni 1994), S.

168 bis 171.


gelegten Komplexe Politik und Außenwirtschaft, Hilfe und Solidarität, Bildungszusammenarbeit sowie Wissenschaft / Publi-zistik / Kultur zeigen die bekannte - in letzter Zeit auch in Frage gestellte - Vielfältigkeit der Aktivitäten der staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, Einrichtungen und Organisationen der DDR bei aller Beschränkung auf politisch gewollte, ökonomisch mögliche und von afrikanischer Seite zugelassene Bereiche.

Das dem Band beigefügte ausführliche Autorenverzeichnis macht deutlich, daß an den 20 Aufsätzen 18 Verfasser (darunter zwei westdeutsche und zwei afrikanische) aus dem diplomatischen, wissenschaftlichen, kulturellen, studentischen, journalistischen und kirchlichen Bereich sowie dem der FDJ-Brigaden beteiligt sind. Sie alle besitzen die zeitgeschichtliche Kompetenz des unmittelbar Beteiligten, die ihre Art des Herangehens an „Aufarbeitung“ und Bewertung der Afrika-Politik der DDR in den behan-delten Bereichen ausgesprochen interessant macht. Daß dabei durchaus auch abweichende Auffassungen zutage treten,

erscheint als natürlich und steht zweifelsohne zumindest partiell auch mit differenzierten konkreten Erfahrungen im Zusammen-hang. Die seinerzeitige „Mixtur“ staatlichen und persönlichen Agierens in afrikanischen Ländern zeitigt zweifelsohne auch hier und da eine entsprechende „Mixtur“ des heutigen Wertens und Bilanzierens.

Es handelt sich beim vorliegenden zweiten Band von „Die DDR und Afrika“ keineswegs um ein beschönigendes Hosianna-Werk. Dem fast durchgängigen Streben um ein kritisches Herangehen steht aber auch das Bemühen um das Sichtbar-Machen von auch heute noch besonders von afrikanischen Partnern geschätzten Elementen und Aspekten gegenüber, geeignet,ab und an - neben berechtigter Kritik - unfundiert vorgenommenen Verzerrungen und Verzeichnungen der sowieso schon komplizierten Materie aus der Feder zumeist Nichtbeteiligter entgegenzuwirken.

H.-G. und I. Schleicher untersuchen ein bisher stark „unterbelichtetes“ Gebiet, nämlich die Unterstützung der DDR für bewaffnete Bewegungen. Sie sind dabei um eine differenzierte und relativierende Wertung und Quantifizierung bemüht. Ihre realistische Einschätzung ist angesichts zahlreicher Übertreibungen aus westlichen Staaten ausgesprochen wohltuend, was in Anbetracht der eingeschränkten Zugänglichkeit und Aussagekraft der Archivalien verdienstvoll ist. Sie knüpfen dabei an eine Reihe westdeutscher Autoren an, die bereits ab Ende der siebziger Jahre gegen propagandistisch determinierte und aus dem Kalten

Krieg resultierende Übertreibungen und Überbewertungen des Afrika-Engagements der DDR im militärischen Bereich auftreten. Eine Komplettierung der interessanten Untersuchung für afrikanische Staaten außerhalb des südlichen Afrika wäre wünschens-wert.

W. Hundt siedelt seine Darstellung der Aktivitäten brandenburgischer Unternehmen und Einrichtungen (der seinerzeitigen Bezirke Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder) in Afrika im historischen Bogen zwischen Brandenburger Präsenz in Westafrika (1681 und 1722) und dem heutigem Bemühen um eine Brandenburger Beteiligung an der Entwicklungszusammenarbeit mit afrikanischen Staaten an.

Das Auf und Ab der Politik der DDR gegenüber Simbabwe, seinem Befreiungskampf und seiner unabhängigen Entwicklung schildert H.-G. Schleicher in einem faktenreichen und aufschlußreichen Beitrag. H. Heese informiert über eine ausgesprochen spezifische Facette ostdeutscher Aktivitäten in Südafrika in den 50er und 60er Jahren beim Ringen um Absatzmärkte für PKW. Ilona Schleicher berührt mit ihrer Darstellung der 1960 beginnenden neuen Phase politischer Einflußnahme der DDR über den FDGB und dessen Solidaritätsarbeit in Westafrika ein ausgesprochen umfangreiches Aktionsfeld, dessen bisher relativ unbefriedigende Auswertung angesichts der breiten Materiallage und zahlreicher einschlägiger Untersuchungen und Publika-tionen schon in der DDR verwunderlich ist. Ausgesprochen interessant sind die persönlichen Impressionen des Theologen H. Schiewe von der Herrnhuter Brüder-Unität über eine Reise nach Südafrika im Jahr 1987.

Dem Bereich der Solidaritätsarbeit, der in der DDR umfangreich und ausgesprochen komplex war, nicht selten auch nicht völlig transparent, widmen sich I. Schleicher mit diesbezüglichen Statistik-Analysen, sie und E. Singh in Beiträgen über Solidaritäts-beziehungen mit dem ANC, A. Stoll in der Darstellung des Werdegangs eines simbabweschen Berufsausbildungszentrums

vom FDJ-Projekt zum Projekt des DED und G. Wolff in einer eindrucksvollen Schilderung des beschwerlichen Auf-den-Weg-Bringens einer kirchlichen Hilfssendung für Lesotho unter DDR-Bedingungen.

Erfahrungen aus der Bildungszusammenarbeit (mit Angola und Mosambik) geben Artikel von B. Husemann/A. Neumann, R. Gudat/A. Ilal, U. Kruse und D. Hebestreit wieder. U. van der Heyden ist mit der Wiedergabe und Erläuterung eines Rundtisch-gesprächs von ost-und westdeutschen Afrika-Historikern bemüht, „ein objektives Bild über die jüngste Vergangenheit deutscher Geschichte“ am Beispiel der historischen Afrikawissenschaften der DDR zu sichern. Dies geschieht vor dem bedauerlichen Hintergrund der „Abwicklungen“, aus denen der Autor verständlicherweise die Forderung nach einer objektiven Aufarbeitung

der historischen Afrikawissenschaften der DDR ableitet. Aus der Sicht des BRD-Afrikanisten vor der Wende gibt H. M. Barth einen Einblick in das Verhältnis zur DDR-Afrikanistik.

Eine Analyse der Widerspiegelung afrikanischer Probleme in den Medien der DDR stammt aus der Feder von U. Makosch. Der in der DDR gut bekannte Buchautor („mit direktem Afrikabezug“) J. Leskien, der selbst über Afrikaerfahrungen vielfältiger Art aus der Zeit der DDR und danach verfügt, schließt den Band mit sehr persönlichen, emotionsgeladenen Eindrücken und Aussagen ab, die sicher dazu angetan sind, manchem in unseren Tagen Orientierungshilfe zu geben.

Den beiden vorliegenden Bänden sind weitere Nachfolger zu wünschen, die sich den politisch-inhaltlichen Bereichen der DDR-Aktivitäten und Teilen Afrikas zuwenden, die bisher leider noch nicht Gegenstand von Untersuchungen waren bzw. die sich mit der Afrika betreffenden konkreten Beschlußlage in den Entscheidungszentren der DDR beschäftigen. Auch der arabische, der asiatische und der lateinamerikanische Raum wären ganz sicher als Gegenstand ähnlicher Studien hervorragend geeignet