Vorwort zu:


Skeries, Manfred, MiG-29-Pilot in NVA und Bundeswehr. „So war das eben“. Ein ehemaliger Jagdflieger berichtet. Verlag Dr. Köster, Berlin 2014, 304 S.


Nach einer mehr oder weniger verständlichen „Ruhepause“ Anfang der 90er Jahre  hinsichtlich von Schreibaktivitäten über die Geschichte der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der DDR  hat sich in den letzten Jahren eine erstaunliche Schar von qualifizierten „Ehemaligen“, meist Augenzeugen,  dazu durchgerungen,  einzeln oder im Kollektiv zur Feder zu greifen und dem wartenden Leser Druckerzeugnisse in beachtlicher  Qualität vorzulegen. So erschienen allein in den letzten vier Jahren etwa 65 Buchtitel mit schätzungsweise 20.000 Buchseiten, auf denen Bilanz gezogen wurde hinsichtlich der Entwicklung der Fliegerkräfte, der Fla-Raketentruppen und der Funktechnischen Truppen der Luftverteidigung . Eine beachtenswerte Bilanz!

   

Nunmehr liegt uns dank des Autors sowie der bewährten Tätigkeit des Verlages MediaScript Berlin unter der Leitung von Peter Misch ein weiterer Titel vor, mit dem der letzte Chef Jagdfliegerkräfte der DDR-LSK, Oberst a.D.  Manfred Skeries, erster Deutscher, der eine gefechtsbereite Jagdmaschine des bewährten sowjetischen Typs MiG-29 fliegen durfte, seine Erfahrungen auf diesem hochinteressanten Aktionsfeld verarbeitet.

Eine Besonderheit seiner Laufbahn besteht darin, daß Manfred Skeries  auch noch die fliegerische und politische Realität der zweiten deutschen Luftwaffe  fast fünf Jahre lang, zuletzt in Laage (MV), als Stellvertretender Geschwaderkommodore des JG 73 der Bundesluftwaffe mit den vom JG 3 der LSK/LV in Preschen übernommenen 24 MiG-29 erlebte - „natürlich“ mit der entsprechenden „Dienstgradherabsetzung“ (die Maschinen wurden später für 1 € pro Maschine durch die Bundesrepublik an Polen verkauft; die DDR hatte die Maschinen vom sowjetischen Hersteller zu einem Stückpreis von je 64 Mill. Mark erworben!). Der Band mit dem Titel „So war das eben. Lebensbericht eines Jagdfliegers“ war ursprünglich seitens des Autors nur für seine Familie gedacht und deshalb auch nur in fünf Exemplaren gedruckt worden. Diese Absicht wurde im Interesse einer größeren Leserschaft schließlich lobenswerterweise aufgegeben.


Skeries ist einer von denen, die in jeder fliegerischen Hinsicht als speziell kompetent angesehen werden können. Geboren im Kriegsjahr 1942, aufgewachsen in unmittelbarer Nähe eines großen Flugplatzes, mit 14 Jahren Segelflieger auf dem legendären SG-38,  bald Absolvierung des ersten Motorfluglehrgangs, mit 17 Jahren im Fliegerausbildungsgeschwader 1 Kamenz, Ausbildung auf der guten alten Jak-18, fliegerische Qualifizierung auf fast allen MiG-Typen von der MiG-15UTI bis zur MiG-29. Er erwarb alle erforderlichen Qualifikationsstufen, Berechtigungen und Leistungsklassen, absolvierte die Militärakademien in Dresden und Moskau/Monino und durchlief quasi alle einschlägigen Dienststellungen und Dienstgrade. Hinzu kommen die erwähnten Erfahrungen in der Luftwaffe der Bundeswehr. Als Rentner ist er heute Vorsitzender des Fliegerkreises Berlin-Brandenburg der Gemeinschaft der Flieger deutscher Streitkräfte.


Mit dem jetzt vorliegenden Band haben wir es mit einer spezifische  Art von militärischer Literatur zu tun, vor der ich als Verfasser der jährlichen Literaturberichte zur DDR-Luftwaffengeschichtsschreibung (Internet) nur voller Hochachtung den Hut ziehen kann: vor dem Inhalt und seiner methodischen Aufbereitung   und der Vermittlung eines unschätzbaren Erfahrungs- und Erlebnisschatzes unter Zuhilfenahme einer  Unzahl von Fakten, gestützt auf seine Kaderunterlagen, einige Fotos, Flugbücher, Urkunden und vor allem seinem Gedächtnis.


Rücksprachen mit einigen Wegbegleitern und Freunden haben Lücken schließen helfen. Dies hat zu einem literarischen Ergebnis geführt, das sich nicht zuletzt wegen seiner Problemdichte sehen lassen kann. Durch den Autor werden Vorgänge des Fliegens, natürlich einschließlich des Technikbereichs, minutiös beschrieben. Das notwendige, ständige, quasi lebenslange beharrliche Flugtraining einschließlich einer Vielzahl technischer Details ist nicht nur für den Qualifizierten nachvollziehbar, sondern auch für den etwas eingeweihten interessierten Anfänger mit gewissen technischen Vorkenntnissen.


Skeries hebt die Notwendigkeit hervor, die Sprache des Flugzeugs zu verstehen, sich mit dem Flugzeug zu unterhalten und Gefühle für Bewegungen und Geräusche zu entwickeln. Er nimmt eine lesergemäße charakterisierende Beschreibung der Flugzeug-Typen und ihrer Versionen vor. Generell unternimmt er den Versuch, auch den Nichtkenner Schritt für Schritt in ausgewählte technische und flugtechnische Dinge einzuweihen bzw. sie zu befähigen, sie annähernd zu verstehen. Dabei werden auch solche Elemente wie Herstellen der Gefechtsbereitschaft, der militärische Alltag oder auch - seinerzeit nicht herausgestellt -  die deutsch-sowjetische Waffenbrüderschaft und ihre politischen und technischen Grenzen  erläutert.


Den Versuch eines gewollten Nebeneinander von großen weltpolitischen Linien und konkreten Ereignissen und persönlichen Erlebnissen sowie die gute „Mischung“ von gesamtpolitischen, militärisch-fliegerischen, persönlich-militärischen und privat-persönlich-familiären Problemen, die sich gut ergänzen und das generelle Verstehen quasi fördern, wird der Leser hoffentlich als gelungen ansehen. Das immer wieder auftauchende persönliche  Resümee des Buchtitels „So war das eben!“ - übrigens in beiden Gesellschaftsordnungen – ist  genau wie der Buchtitel scheinbar eine nichts aussagende Vokabel des täglichen Lebens, schließlich aber erleichtert es bei dem gutwilligen Leser das tiefgründige Begreifen bestimmter Ereignisse und Zusammenhänge ohne weitere Kommentare.


Komplizierte Vorgänge, die der Umgang von Vorgesetzten und Unterstellten unter „normalen“ militärischen Bedingungen mit sich bringt und bei denen stets vorausgesetzt wird, daß Konfliktpotential entschärft wird und zu einer Umsetzung der erhobenen Forderungen führt, werden militärpsychologisch hervorragend abgehandelt, so daß auch der „Ungelernte“ und Außenstehend-Unbeteiligte sie versteht. Das trifft auch auf Vorgänge bei sich selbst und vor allem ausgelöst durch Vorgesetzte zu. Der Leser merkt, daß vor allem die Laufbahn des fliegenden Vorgesetzten eine der komplexesten und eine der kompliziertesten ist - in dienstlicher und in privat-persönlicher Hinsicht. Das Ganze wurde in der DDR durch das sozialistisch-militärische Familienleben ergänzt und  - wie der Autor zeigt - bei etwas Glück auch erleichtert. Die Ehefrau mußte das soldatisch-fliegerische Leben unter den Bedingungen des Kalten Krieges hautnah und in jedem der vielen Standorte miterleben und ertragen – wo das Leben den Offizier und seine Familie auch hintrug. Auch das Leben der beiden Kinder war schließlich in jeder Hinsicht von dieser Situation betroffen.


Dem Band sind viele interessierte Leser zu wünschen.


Prof. Dr. Walter Hundt

Oberst a.D.

 

sh. auch   Österreichische Militärische Zeitschrift (Wien), Jg.2016, H. 1, S.129    in Rezension

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